Schreibhainkollegin und Autorin Julia Christ bloggt aus Idomeni

silhouette-251693_1920Als unsere Kollegin Julia Christ mich kontaktierte, um mir mitzuteilen, dass sie in nächster Zeit im Schreibhain ausfallen würde, weil sie plane nach Idomeni zu reisen, um vor Ort zu helfen, ergriffen mich zwei parallele Gefühle: Ich bedauerte meine so liebgewonnenene Dozentin entbehren zu müssen, aber gleichzeitig durchströmte mich große Ruhe und Zufriedenheit. Ich hatte genau die richtigen KollegInnen und AutorInnen um mich; solche die Mut bewiesen und Rückgrat, solche, die hinauszogen, dorthin wo ihre Stimme wesentlich ist, und die uns, den Daheimgebliebenen, Bericht erstatteten. Denn Julia Christ war sofort Feuer und Flamme, als ich sie fragte, ob sie ihre auf der Reise gesammelten Geschichten teilen wolle. Ich schätze mich daher sehr glücklich, Euch teilhaben lassen zu dürfen und bedanke mich bei meiner wundervollen Autorenkollegin dafür, dass es Menschen gibt wie sie, Menschen, die etwas wagen und uns berühren, nicht ausschließlich im und durch ihr Schreiben, aber auch dort.

Hier lest Ihr Julias Aufzeichnungen:
12. April 2016, Im Nachtzug von Belgrad nach Thessaloniki
Noch in Slowenien hat mich ein serbischer Kunsthändler vor dem Balkanzügen gewarnt. Pass auf, sagt er mir an meinem letzten Abend in Ljubljana. Warum, frage ich ihn. Because it’s the Balkan, antwortet er. Ich aber kenne die Balkanstaaten noch nicht und steige in Belgrad in den halbleeren Zug.
Hinter den strahlenförmigen Pylonseilen der Savebrücke geht die Sonne unter. Sie verschwindet in den Tiefen der Ada Ciganlija. Ich rattere in einem rostigen Waggon vorbei an kleinen Dörfern in die Dunkelheit.
Mir fallen die Augen zu, obwohl es erst acht Uhr abends ist. Im Halbschlaf zieht sich Zigarettenrauch aus den Nachbarabteilen wie ein winziger Strick um meine Bronchien und endloses Gequassel von nebenan dröhnt in mein Trommelfell. Es ist immer nur ein Mann, der da über Gott und die Welt zu diskutieren scheint. Er spricht in einer Sprache, die ich nicht verstehe. Mir ist, als rede er die ganze Nacht hindurch. Wird er denn niemals müde?
Als er endlich still ist, werde ich von einem lauten Klopfen geweckt. Pass control. Es ist kurz nach drei Uhr morgens. Ein Grenzbeamter, der endlose Wortketten wie ein Feuer ausspeit, das ich einfach nicht zu fassen kriege. I am sorry, I only speak English, stammele ich. Er sammelt alle Pässe ein.  Wir bekommen sie erst eine viertel Stunde später wieder zurück. Schlaftrunken klettere ich zurück auf mein Etagenbett. 30 Minuten später das gleiche Spiel auf der anderen Seite der Grenze. Mazedonien. Pass control. Wieder ein unverständliches Wortgewusel. Ein Grenzbeamter leuchtet mein Abteil mit einer Taschenlampe aus. Zehn Minuten später schiebt sich ein Mann in braun-beigem Karojacket und Rollkragenpullover durch den Gang. Anything to declare?  Wieder ein anderer gibt mir nach einer weiteren gefühlten halben Stunde den Reisepass zurück. Kurz nach vier. Auf Wiedarrrsehn, sagt er noch. Ich staune, plötzlich Deutsch zu hören.
13. April, Gevgelija, Idomeni und Thessaloniki
Sieben Uhr morgens, irgendwann kurz nach Sonnenaufgang. Der Zug zieht durch grünen Hügel. Wie aus dem Nichts schießen karge, helle Felsen an meinem Zugfenster vorbei. Wie in den Winnetou-Filmen. Dann wieder Dörfer. In Gevgelija vor der griechischen Grenze müssen wir alle raus. Weiterfahrt mit dem Shuttlebus.
Normalerweise fährt der Zug direkt durch Idomeni. Aber den Ausdruck „normal“ gibt es seit dem einundzwanzigsten Februar dieses Jahres nicht mehr. Mittlerweile leben Tausende von Menschen in kleinen Zelten direkt auf den Bahnsteigen von Idomeni, daneben oder in unmittelbarer Nähe auf den Kieswegen und den Ackerfeldern. Einige leben auch in einem ausrangierten Zug am Bahnhof.
An diesem Tag sehe das noch nicht. Nur eine Landstraße, die an Äckern und grünen Feldern vorbeiführt.
Eine gute Stunden später komme ich im hektischen Gewusel von Thessaloniki an. Es ist laut, sonnig, staubig. Viele Baustellen, Fitnessstudios, Sexshops, Steh-Cafés und unzählige Boutiquen mit chinesischen Billigklamotten. Ich treffe auf vier obdachlose Hunde, die vor dem größten Telekommunikationsladen der Stadt auf der Straße schlafen. Niemand nimmt Notiz von ihnen.
14. April, Thessaloniki und Polykastro
Zurück in Richtung Norden mit dem Überlandbus. Auf dem ersten Busbahnhof treffe ich auf eine Gruppe von fünfzehn Menschen, die mit abgenutzten Rucksäcken und unzähligen Plastiktaschen auf ihre Weiterfahrt warten. Ich stelle mich neben sie und ein schwer definierbares Unbehagen breitet sich in mir aus. Ich weiß nicht, warum. Es sind drei Männer, mehr als ein halbes Duzend Kinder zwischen zwei und fünfzehn Jahren sowie vier Frauen in Kopftüchern und langen, schlabberigen Röcken. Sie sehen ausgelaugt und erschöpft aus, während die frisch geföhnten, sonnenbebrillten Griechinnen in ihren engen Röcken und Pumps an den benachbarten Bussteigen geradezu vor Kraft zu strotzen scheinen. Ein etwa zweijähriges Mädchen aus der Flüchtlingsgruppe sieht mich neugierig an. Mir schießen mir die Tränen in die Augen, aber ich versuche die Kleine anzulächeln. Dann fange den Blick seines Vaters auf. Er lächelt auch. Einfach so.
fence-1078615_192015. April, Idomeni
Einige freiwillige Helfer sind in den  vergangenen Tagen wegen Nichtigkeiten verhaftet worden. Mal ist die Rede von 14, mal von mehr als 25 Volunteers. Zwei mussten allein deshalb die Nacht im Gefängnis verbringen, weil sie Walkie Talkies trugen. Im Herbst soll dann die Gerichtsverhandlung sein. Es reicht auch schon, ein Obstmesser, ein Pfefferspray oder eine leere Bierflasche mitzuführen.
Auch wir werden kontrolliert, als wir mit dem Auto von Polykastro nach Idomeni fahren. Das heißt Pässe zeigen, Rede und Antwort stehen: Wer sind Sie? Woher kommen Sie? Was machen Sie hier? Unsere Fahrerin, eine Estländerin, sagt, sie kenne solche Gepflogenheiten bereits aus ihrem Land. Immerhin seien die griechischen Polizisten noch freundlich.
A pro pos Freundlichkeit. Freundlich sind vor vor allem die Männer und
Frauen im großen Flüchtlingslager in Idomeni, die uns überhaupt nicht kennen, aber uns immer wieder in ihre Zeltlager einladen: „Kommt zu uns. Bitte setzt euch doch.“ Egal, wo wir hinkommen. Der Boden ist staubig, die Gastfreundschaft immens. Sie bewirten uns mit Wasser, Cola und türkischen Kaffee. Es gibt Kekse, Reiscracker und ganze Tüten voller Erdnüsse. Und das von Menschen, die vier bis fünf Stunden Schlange stehen, um einen Teller Suppe oder Reis mit Bohnen zu bekommen.
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Benedict Wells: Vom Ende der Einsamkeit

 

Foto:  © Bogenberger / autorenfotos

Die Romane von Benedict Wells sind Freunde, die ich gerne um mich habe und die viel zu schnell wieder verschwinden, weil ich ihre Erzählungen aufsauge und sie in Folge nur noch in mir ein Eigenleben führen, aber die Seiten leer bleiben.

Ähnlich wie es mir mit Wells Büchern ergangen ist, ergeht es Jules, dem Protagonisten seines neuen Romans. Sein Leben und das seiner beiden Geschwister Liz und Marty verändert sich rasend, als die Eltern sterben und sie ins Internat kommen. „Das Ende der Einsamkeit“ spannt Jules Geschichte vom Jahr 1983 bis 2014, in die Gegenwart der Erzählung. Etwa dreißig Jahre Leben werden da erzählt auf nur 355 Seiten. Wie gelingt Wells dieses Unterfangen?

Die Handlung setzt mit einem knappen Prolog in der Gegenwart ein, um dann in der Rückblende chronologisch aufbauend zu erzählen, wie der tödliche Unfall der Eltern Jules Leben geprägt und ihn bis in dieses Krankenhauszimmer, bis zu seinem Beinahsuzid geführt hat.

Der Plot und sein Thema klingen erst einmal nicht herausragend, wie oft haben wir schon Ähnliches gelesen. Aber Wells wäre nicht Wells, bekäme das Buch nicht seinen ganz besonderen Klang, den nur er erzeugen kann, wäre die Rahmenhandlung alles und gäbe es nicht viel mehr zwischen den Zeilen zu entdecken als diese Inhalte: ein ganzes Universum.

forest-588717_1920Der erste Satz führt den Leser mitten hinein in Jules Welt. „Ich kenne den Tod schon lange, doch jetzt kennt der Tod auch mich.“ Darum geht es eben auch, den Tod als mitten unter uns zu begreifen und ihn gerade deshalb nicht zu fürchten, weil er sonst gewonnen hätte. Dabei bedingt doch gerade er erst das Lebendige, in der Abgrenzung zu Wells Todesbild, zum schneebedeckten Feld, in das die Erinnerungen fallen, um sich dort hineinzusenken, einzugehen in die Unendlichkeit und sich aufzulösen.

Dem Tod begegnet Jules im Roman in mannigfaltiger Gestalt: Er ist der Schatten, der auf seiner Jugend lastet. Er nimmt Alva, seiner Jugendliebe und späteren Frau, den Schriftsteller und Ehemann Romanow. Er löscht dessen Gedanken und verwebt sie mit den Ideen Jules. Romanow weiß um die Liebe Jules zu seiner Frau Alva und schließt einen Deal mit ihm: Du vollendest meine Erzählungen, dafür bekommst Du meine Frau. Das bist Du mir schuldig.

In letzter Konsequenz wiederholt sich bereits gelebtes Leben und findet in neuen Variationen seine Fortsetzung. Als Jules und Alva endlich zusammenkommen, ihre Liebe sich in zwei Kindern verwirklicht, erkrankt sie an Krebs und stirbt. Vincent, ihr gemeinsamer Sohn, ist jetzt in einem ähnlichen Alter wie Jules, als seine beiden Eltern gestorben sind. Der Ich-Erzähler muss sich stellen. Er kann nicht mehr davonlaufen. Einfach fliegen und im Nichts aufgehen, ist nicht mehr möglich, weil er Mitleid empfindet mit seinen Kindern, insbesondere mit seinem Sohn, in dem er immer wieder Züger seiner selbst sieht. Jules übernimmt Verantwortung. Die Angst, die ihn sein Leben lang begleitet hat, auch die vor dem Tod und dem Leben, legt er ab. Das letzte Bild, das Jules durch Wells seinen Leser schenkt, ist eines der Hoffnung: Im Ferienort Berdillac seiner Kindheit steht er erneut an jener Stelle im Wald, an der er schon als Kind auf einem Baumstamm balanciert hat, der über einen Fluss führt. Zwei Meter geht es in die Tiefe. Die mahnende Stimme des Vaters hat er noch im Ohr und das Bild des im reißenden Strom ertrinkenden Hundes. Vincent sieht Jules ängstlich an und da entschließt er sich, eine Erinnerung zu säen, die seinen Sohn begleiten soll: Er wagt es und balanciert über den Stamm und wieder zurück. Die Angst soll nicht das Leben seines Sohnes bestimmen.

cemetery-1215023_1920Auf der einen Ebene verhandelt der Roman also die Frage wie die Bewusstwerdung des Todes Jules verändert, ihn erst ängstlich und zurückhaltend werden lässt, wie er sich dem Tod aber gerade dadurch nicht entschwinden kann, ihm immer wieder begegnet, bis er mit eben jener Bedingtheit leben lernt und zwar frei, die Trauer zulassend und den Schmerz, die Wut und das Glück.

Die Angst hat Jules bis zu diesem Zeitpunkt mehr genommen als der Tod selbst. Sie hat Erinnerungen abreißen lassen, ihn auf Umwege geführt und Hindernisse vor ihm aufgetürmt, die keine waren.

Dagegen stehen die Liebe und die Freundschaft, stehen Geburt und nicht zuletzt das Schreiben. Denn der Ich-Erzähler ist nicht nur in seiner persönlichen Entwicklung ein Werdender. Wells geht auch der Frage nach, was neben all den Bedingtheiten eines Lebens, neben Schicksalsschlägen und Zufällen, neben Sozialisation und Begegnungen, einen Menschen ausmacht. Jules versteht, dass er nur im Schreiben alles gleichzeitig sein kann und ist:

„Denn der kleine Junge, der sich vor allem fürchtet, das bin ich. Genauso das Kind, das mit dem Fahrrad todesmutig den Hügel hinunterfährt, sich den Arm bricht und trotzdem sofort weitermacht. Ich bin der Außenseiter, der sich nach dem Tod seiner Eltern zurückzieht und nur noch vor sich hinträumt. Genauso der bei den Mädchen beliebte, temperamentvolle Schüler, dessen Eltern noch leben.“ (Wells, Benedict: Vom Ende der Einsamkeit. Zürich, 2016,  S. 336)

Wells erzählt eine Geschichte über das, was bleibt. Auch sein Protagonist Jules ist ein Bewahrer, einer, der die Geschichten und Erinnerungen vor dem Verschwinden rettet; die von Alva, die seiner Kinder, seiner Eltern, seiner Geschwister. Das alles kommt in einem Stil daher, der an Erzählungen erinnert, die am Lagerfeuer heraufbeschworen werden, eingängig und ohne jede Prätention. Umso mehr blühen Motive und Bilder auf, umso mehr lassen wir uns hineinziehen in diese Geschichte und deren Erzählstimme, die – zumindest mich – zum Weinen gebracht hat, weil sie fein und gekonnt die Brüche im Leben Jules nachzeichnet und den Leser abtauchen lässt in die Tiefe seines psychischen Erlebens, die, im Schatten wie im Licht, ihre Schönheit entblättert.

http://www.diogenes.de/leser/katalog/nach_autoren/a-z/w/9783257069587/buch

http://www.lovelybooks.de/lesung/benedict-wells/

Von Listen und vom Schreiben

paper-34910_1280Jetzt wollte ich es endlich mit einer dieser Listen probieren. Weil Listen auf Blogs gut ankommen. Weil Listen Übersicht schaffen. Weil…  Ich gebe auf. Ich liebe Listen, aber ich befürchte, ich bin nicht dafür geboren, sie zu schreiben. Da ist ein Wort und dieses Wort erzeugt neue Worte, wie jetzt. Weil Worte schnell sind, sich auftürmen und zum Kunstwerk werden, das zugunsten eines anderen wieder weichen kann und Beiwerk mit sich bringt. Nochmal neu. Da ist also ein Wort, das andere Wortgruppen um sich schart und wer jetzt denkt, das ginge geordnet, dem sei mein Glückwunsch ausgesprochen. Bei mir geht es genauso nicht, heute jedenfalls nicht. Was morgen ist, steht in den Sternen. Ich will nichts in Stein meißeln. Ich sagte ja schon: Ich liebe Listen. Bei mir zerfasern sie, weil sich da Anhänge bilden und Schlangen, weil vereinzelt eine Betonung gesetzt werden will, die nur im Zusammenhang mit anderen funktioniert. Weil jetzt Nacht ist und ich eine Schreibende bin, die die Ruhe liebt. Weil der Sturm folgen wird und ich das Unwetter nur in der Stille herankommen höre.

Das Schreiben funktioniert – bei mir jedenfalls – nicht geordnet. Ich will ihm gar nicht Herr oder Frau werden. Ich will um die Worte nicht kämpfen. Sie kommen aus einem Nirgendwo und reichen mir die Hand. Wenn ich eines ergreife, ziehen sie andere nach sich. Das geht gar nicht anders. Mühsam ist es nicht. Vielmehr hat es mit Vertrauen zu tun und einer leichten Übermüdung, die mein Denken sediert. Sediertes Denken erzeugt Strudel, die wirbeln und dieses Wirbeln zieht den Klang nach sich.

Im Schreibhain – bei unseren Nachwuchsautoren – tue ich nichts lieber als deren Schreibprozesse zu beobachten. Jedes Mal aufs Neue bin ich erstaunt, wie unterschiedlich diese sind und wie sehr sie abhängen von ihrem Menschen.

Mein Schreiben ist mein engster Begleiter. Näher noch als mein Liebespartner, denn er schaut immer –  und damit meine ich immer – in die Täler und Abgründe meiner Gedanken und Gefühle. Auch in die, die ich selbst nicht sehen will. Wenn er gerade gut gelaunt ist, dieser Schreibkobold, dann schimmert er durchsichtig. Ein sanftes Licht geht von ihm aus, das mich tröstet. Er klopft mir auf die Schulter und er kocht mir Kakao. Eine gute Seele, die mich ermutigt, die mir sagt: „Denk nicht so viel darüber nach, was Du tust, tu es einfach.“ Dann liebe ich meinen Kobold, die Worte fließen und alles ist gut.

An anderen Tagen ist er roteingefärbt, wer weiß welcher Teufel ihn geritten hat. Er stampft und schimpft. Die Sätze werden kurz. Stakkato. Bis nichts mehr geht, nur noch Wut. Bleierne Wut schriebe ich dann, denn jetzt helfen mir Klischees. Mehr geht ja nicht an solchen Tagen. Das macht den Kobold noch unerträglicher. Wir können uns nur nicht aus dem Weg gehen. Er gehört zu mir. Ich hege zwar regelmäßig Mordabsichten, aber diese Bestrebungen sind aussichtslos und führen zu gar nichts. Ich kann ihn mir nicht vom Leibe schaffen, ohne mich selbst in größte Gefahr zu bringen. Ohne ihn existiere ich nicht, da kann ich es auch gleich bleiben lassen. Daher ertrage ich sein Geschrei und zerdeppere in regelmäßigen Abständen das gute Porzellan. Mein Kobold hält diesen Industriezweig am Leben. Wusstet Ihr das? Schreibkobolde beleben die Wirtschaft. Da sage nochmal einer wir Autoren trügen nichts zum Kapitalismus bei. Dass ich nicht lache. Allein die Unmengen an Schokolade, die wir dann vertilgen. Die Netflixgebühren, die wir zahlen, wenn wir schmollen. Die vielen anderen Bücher, die wir kaufen, wenn wir uns selbst zerfleischen.

Worüber wollte ich ursprünglich schreiben? Warum Schreiben mein Metier ist? Warum ich nicht anders kann? Es ist gleich Mitternacht und morgen betreue ich meine StudentInnen in der Autorenausbildung II. Sie arbeiten an ihren originären Romanstoffen. Ich werde sie befragen und heimlich beobachten. Ihre Strategien ausfindig machen. Dafür brauche ich ein Mindestmaß an Schlaf. Auch wenn Schlaf natürlich redlich überschätzt ist, insbesondere für Autoren. Deswegen könnte der Artikel auch heißen: Automatisches Schreiben und wo es Dich nachts hinführt, wenn die Geschichten lauern und dein Partner darauf hin fiebert endlich, endlich, an den PC zu dürfen, denn auf ihn warten andere Artikel und Spiele, die er spielen muss, während ich träume, von noch mehr Geschichten und Welten, die sich im Kopf stapeln bis es zu viele werden und sie herauspurzeln aus der Gedankenmaschinerie, weil der Kobold sie ausgespuckt hat.